Das Alte Testament
Zeugnis des Glaubens
Das Alte Testament erscheint uns manchmal sehr fremd. Manche mögen sich an der Brutalität stören, manche hätten gerne etwas weniger Krieg, dafür umso mehr Friede und Freude. Dabei ist das Alte Testament genau das, als was es auf uns wirkt: ein Zeugnis aus längst vergangener Zeit. Allerdings mit einer Botschaft, die immer noch aktuell ist. Sie lautet: Gott ist da. Gott ist mit uns
Kein Freibrief, sondern auch Verpflichtung
Das heißt nicht, dass im Alte Testament die Menschen einen Freibrief haben, weil sie Gott hinter sich wissen. Wer den Psalm 6 liest, kann die tiefe Verzweifelung förmlich greifen: „Ich bin erschöpft vom Seufzen, jede Nacht benetzen Ströme von Tränen mein Bett, ich überschwemme mein Lager mit Tränen. Mein Auge ist getrübt vor Kummer, ich bin gealtert wegen all meiner Gegner.“ Der Verfasser dieser Zeilen schreit hier seine Angst, seine Furcht, seine Verzweifelung hinaus – wir finden eine Stelle vor, die zutiefst menschlich ist.
Doch gerade hier zeigt sich das besondere Charakteristikum der biblischen Botschaft: Selbst in tiefster Angst, in größter Not wird der Ruf nach Gott von Gott gehört. Gott kommt und steht seinem Volk zur Seite. Sei es die Befreiung aus Ägypten, sei es das Brot in der Wüste. Das Alte Testament gibt uns das Gefühl, einen sicheren Rückhalt zu haben. Doch nicht alles ist unproblematisch. Ohne Zweifel benötigen einige Bilder wie das des „eifernden Gottes“ der reiflichen Reflexion. Auch die Schilderung, Gott habe ein ganzes Heer von Ägyptern ertrinken lassen und ganze Städte ausgelöscht, muss hinterfragt und überdacht werden. Diese Anforderung ist ohne Frage auch heute noch aktuell und wichtig. Und natürlich ist es längst klar, dass viele Erzählungen alte literarische Themen und Motive aufgreifen und keinesfalls einen Augenzeugenbericht geben. Wie gesagt: In vielen Teilen ist das Alte Testament ein Glaubenszeugnis.
Damit sind wir schon am wichtigsten Punkt bei der Frage nach dem Alten Testament angelangt. Es ist nämlich nicht nur ein Werk, das längst vergangenen und daher uninteressante Geschichten erzählt. Das Alte Testament ist immer noch aktuell. Im Alte Testament schließt Gott mit den Menschen einen Bund. Dieser Bund, und wir finden damit die markanteste von vielen anderen Verknüpfungen vor, wird im Neuen Testament bestätigt, wenn Jesus vom „neuen Bund“ spricht. Das sagt uns: Die Geschichte Gottes mit uns Menschen, die wir im Alte Testament vorfinden, geht weiter. Diese Kontinuität, diese Verlässlichkeit ist die wohl stärkste Botschaft des Alte Testament. Dieser neue Bund mag über alles hinausgehen, was wir Menschen bisher erfahren haben. Aber Jesus bezieht sich explizit auf das Alten Testament. Er erfüllt die Bücher Mose und der Propheten – und damit die Hoffnungen, die wir beim Lesen im Alten Testament schöpfen dürfen und schöpfen können. Schließlich wissen wir: Gott ist da. Gott ist mit uns. Und er wird es auch bleiben.
Simon Biallowons