6. Dezember: Nikolaus

Schutzpatron der Kinder

„Wenn Gott jemals sterben sollte, dann würden wir den heiligen Nikolaus zum Gott machen“, verkündet ein slawisches Sprichwort. So stürmisch haben ihn die Menschen geliebt. Dass Nikolaus einmal als der größte Heilige überhaupt galt, wissen nur wenige. Er ist eine Legendenfigur, aber im vierten Jahrhundert hat es wohl tatsächlich einen Bischof Nikolaus in Myra gegeben, an der Mittelmeerküste der heutigen Türkei.

Nikolaus war unvorstellbar populär: In der griechischen Kirche wurde er gleich nach der Jungfrau Maria im Kalender der Vollendeten genannt. Man verehrte ihn als Schutzpatron der Schiffer und Fischer, der Getreidehändler und Apotheker, ja sogar der Diebe und Räuber.

Als die erste uns bekannte Lebensbeschreibung verfasst wurde, war Nikolaus freilich schon fast fünf Jahrhunderte tot. Man erzählte sich, das große Vermögen, das ihm seine reichen Eltern hinterlassen hätten, habe ihn nicht hartherzig gemacht, sondern ihm Gelegenheit gegeben, bedürftige Mitmenschen zu unterstützen. Ein Traum habe die versammelten Bischöfe der Provinz bewogen, den angesehenen und beliebten Nikolaus zum Oberhirten der Provinzhauptstadt Myra zu wählen. Zur Zeit des Kaisers Konstantin sei das gewesen. An einem 6. Dezember um die Mitte des vierten Jahrhunderts sei er friedlich entschlafen.
Alles das lässt sich nicht beweisen; es sei nur sehr wahrscheinlich, sagen die Historiker. Sie verweisen auf das hohe Alter der einschlägigen Zeugnisse und auf die spätestens im sechsten Jahrhundert auch andernorts mit geballter Wucht einsetzende Nikolaus-Verehrung. Sein Kult verbreitete sich sehr schnell in der ganzen griechischen Kirche und dann auch in der westlichen Christenheit.

Foto: metmuseum.org/Bequest of James Clark McGuire, 1930
Foto: metmuseum.org/Bequest of James Clark McGuire, 1930

Nikolaus und die Reliquienräuber von Bari

Am Anfang der Nikolaus-Verehrung im Abendland steht jedoch ein abenteuerlicher Reliquienraub: Schiffer und Geschäftsleute aus Bari entführten die begehrten Gebeine des Bischofs 1087 aus Myra nach Italien. Bari wurde ein Wallfahrtszentrum, das mit Rom und Santiago de Compostela konkurrieren konnte. „San Niccolo, prega per noi! Heiliger Nikolaus, bitte für uns!“, so rufen und singen Zehntausende verzückter Menschen auch heute noch, wenn sein Fest in Bari gefeiert wird, mit lichtergeschmückten Gondeln, Feuerwerk, Tanz und Musik und Jahrmarktsbuden.

Um 1500 zählen die Historiker bereits mehr als 2.000 Nikolauskirchen, -kapellen, -hospitäler und -klöster in Europa. Vor allem in Frankreich wurde Nikolaus zum Familiennamen (Nicot, Collot, Colson). Die Schiffer und Fischer beteten zu ihm, die Apotheker und Pfandleiher, ja sogar die Landstreicher und Diebe. „Heiliger Sankt Nikolaus“, so riefen sie ihn bis in die Neuzeit an, „schütz uns vor Polizei und Arbeitshaus.“

Historische Daten und Dokumente sind nicht die einzige Wirklichkeit. Auch so eine begeisterte Verehrung schafft Realität. Aus den Geschichten und Legenden schält sich das Bild eines ungewöhnlich menschenfreundlichen Kirchenmannes heraus, voller Güte, Mut und Zivilcourage.

Dazu passt es, dass Bildungswerke und Kirchengemeinden mittlerweile mit speziellen „Nikolausseminaren“ gegen das falsche Klischee vom allwissenden Kinderschreck kämpfen. Aus dem gestrengen Himmelsgendarmen soll wieder eine Symbolfigur der Güte Gottes werden, solidarisch mit den Kleinen und kritisch gegenüber den Erwachsenen. Ein Freund der Kinder, der ihre Partei ergreift, sie annimmt, Angst abbaut, Selbstbewusstsein vermittelt – und sich nicht davor scheut, auch die Eltern zu erziehen.

Wofür es nun wieder eine gute historische Tradition gibt: Seit dem 14. Jahrhundert feierten die Zöglinge der Kloster- und Stiftsschulen am 6. Dezember ihren Patron mit der Wahl eines „Kinderbischofs“, dem man bischöfliche Gewänder anzog und für diesen Tag einen Teil der oberhirtlichen Amtspflichten übertrug. Stadt- und Bürgerschulen übernahmen später den Brauch, der in dem uralten, auf römische und orientalische Sitten zurückgehenden „Narrenfest“ wurzelt. Und aus den nächtlichen Umzügen mit einer Statue des Heiligen entwickelte sich seit dem 17. Jahrhundert der heute noch beliebte Nikolausbesuch in den Häusern.

Christian Feldmann

„Liebling der Kinder“

Es ist der 6. Dezember, morgens in aller Früh. Draußen ist es noch finster, der Raureif glitzert silbern im kalten Mondlicht. Doch die aufgeregten Kinder hält schon lange nichts mehr in ihren Betten. Sie stürmen ungeduldig vor die Haustür und finden in ihren fein säuberlich aufgereihten Winterstiefeln Mandarinen, Lebkuchen, Walnüsse und andere kleine Geschenke. Die Mädchen und Jungen freuen sich: Der heilige Nikolaus war da!

Eine andere Legende wiederum besagt, dass Nikolaus einem armen Vater zur Aussteuer für seine drei heiratsfähigen Töchter verholfen haben soll. Er warf den Mädchen heimlich durch den Kamin ihres Hauses drei Goldklumpen in die zum Trocknen aufgehängten Strümpfe.

Historiker vermuten, dass die eine oder andere der vielen Nikolauslegenden eigentlich auf dem Leben einer zweiten historischen Person fußt: dem des gleichnamigen Abts von Sion, der im Dezember 564 gestorben ist.

Der heilige Nikolaus ist der beliebteste und populärste Heilige der Adventszeit und überhaupt einer der bekanntesten christlichen Heiligen. Nikolaus lebte und wirkte als Bischof im 4. Jahrhundert in Myra in der heutigen Türkei. Um ihn ranken sich zahlreiche Legenden, völlig sicher wissen wir nur sehr wenig über ihn. In der wohl bekanntesten Überlieferung soll Nikolaus den hungernden Bewohnern von Myra Getreide aus einer für Rom bestimmten Schiffslieferung beschafft haben. Als das Schiff mit dem Getreide später in Rom ankam und die Bestände gezählt wurden, fehlte jedoch kein einziger Getreidesack.

Foto: metmuseum.org/Bequest of James Clark McGuire, 1930
Foto: metmuseum.org/Bequest of James Clark McGuire, 1930