„Gott ist nah in diesen Zeichen“

Sakramente sind wie Fenster, durch die eine andere Wirklichkeit in diese Welt hereinbricht. In Taufe, Eucharistie, Beichte, Eheschließung greift Gott rettend, stärkend, liebevoll in das Menschenleben ein, ereignet sich eine Begegnung mit ihm, die das Leben verändert.

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Das Wort „Sakrament“ umweht ein Hauch von Geheimnis und religiösem Zauber. Etwa im Thriller „Sakrament“ von Tim Willocks, der von der Belagerung Maltas durch die Osmanen erzählt, von Liebe, Kampf und Verrat. Und sogar noch im süddeutschen Schimpfwörterkatalog, wo „Sakra!“ schlicht „Verdammt noch mal!“ bedeutet und sich hinter einem „Sakramenter“ ein heimtückischer Lump verbirgt.
„Sacrum“ heißt „das Heilige“, und ursprünglich bezeichnete das Wort „Sakrament“ den militärischen Fahneneid. Erst später bekam es den bis heute gültigen Sinn einer liturgischen Symbolhandlung. Sakramente wie Taufe, Abendmahl/Eucharistie, Beichte, Krankensalbung gehören zum Christenleben wie der Kirchturm zum Stadtpanorama.
Sakramente dienen der christlichen Selbstvergewisserung und Identitätsfindung – und sind doch viel mehr: Sie sind wie Kanäle, durch die Gottes Gnade unseren Alltag erreicht. In ihnen greift Gott ganz real in unser Leben ein – Kraft spendend, Mut machend, rettend, inspirierend.

Fenster für die Gnade Gottes

In der Bibel sind nur Taufe und Eucharistie direkt bezeugt, aber auch die Salbung mit Öl (Firmung, Krankensalbung) oder die Handauflegung (Priesterweihe) haben in der biblischen Überlieferung ihren Platz. Der nordafrikanische Theologe Augustinus († 430) gab als erster eine klare Definition: Sakramente seien „sichtbare Zeichen einer unsichtbaren Gnade“, und entscheidend sei das Zusammenwirken von Wort und Zeichen (Wasser, Salbung, Brot und Wein).
Dass ein Sakrament den Menschen in eine intensive Beziehung mit Christus bringt, dass es von der inneren Einstellung des Empfängers abhängt, ob Gottes Gnade auch wirklich beim Menschen ankommt, geriet im Lauf der Jahrhunderte in Vergessenheit. Rom lehrte, dass die innere Heiligkeit eines Sakraments durch einen unwürdigen Amtsträger nicht beschädigt werden könne, und leistete damit ungewollt dem Aberglauben an eine automatische, ja magische Wirkung Vorschub – als ob Gott durch einen korrekt vollzogenen Ritus gezwungen werden könnte, sich dem Menschen zuzuwenden. Dagegen beharrte Martin Luther leidenschaftlich auf der Notwendigkeit einer gläubigen Haltung.

„Wasser tut´s freilich nicht, sondern das Wort Gottes, das mit und bei dem Wasser ist, und der Glaube, der solchem Wort Gottes im Wasser traut.“
Martin Luther

Während katholische und orthodoxe Kirche an der Siebenzahl der Sakramente (Taufe, Eucharistie, Firmung, Buße, Krankensalbung, Ehe, Priesterweihe) festhielten, erkannten die Kirchen der Reformation nur noch zwei an: Taufe und Abendmahl. Im 20. Jahrhundert kam es aber auch im katholischen Raum zu einer biblischen und spirituellen Erneuerung der Sakramentenlehre: Auf dem Zweiten Vatikanische Konzil wurde die Kirche selbst als „Ursakrament“ wieder entdeckt. „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“, heißt es in „Lumen Gentium“, der Dogmatischen Konstitution über die Kirche.

Die Sakramente kommen seither stärker in den Blick als Orte der Begegnung mit dem lebendigen Christus, als Möglichkeiten personaler Kommunikation, als Zeichen für die Weltbezogenheit der Gnade Gottes. Man redet tastend von „Sprech-Akten“, Übergangsriten, „Spielen“ mit verwandelndem Charakter. Vielleicht lässt sich so auch mehr Ehrfurcht vor den Elementen der Schöpfung (Brot, Wein, Wasser, Öl) lernen, die in solchen sakramentalen Momenten Gottes Nähe sichtbar und greifbar werden lassen.

Christian Feldmann