So schön ist die Kathedrale

Nach ihrer Fertigstellung war sie das größte Gebäude der damaligen Niederlande. Heute ist sie Gotteshaus und Museum in einem. In der Liebfrauenkathedrale Antwerpen sind bedeutende Werke von Peter Paul Rubens zu sehen.

Wer hier vom Eingangsportal in das Innere tritt, vorbei am provisorisch wirkenden Kassentresen, geht tatsächlich vom Dunklen ins Helle: Der Vorraum ist dunkel, doch das Kirchenschiff der Antwerpener Liebfrauenkathedrale lichtdurchflutet. Weiße Säulen ragen empor, der imposante Nordturm des katholischen Gotteshauses misst 123 Meter. Bei seiner Erbauung galt er als höchster Turm der damaligen Niederlande. Durch die Jahrhunderte prägt er das Stadtbild, 1999 nahmen ihn die Vereinten Nationen in die Liste des Weltkulturerbes auf.

An dieser Stelle der heutigen Innenstadt, nur wenige Gehminuten von der Schelde entfernt, stand schon im 10. Jahrhundert ein Gotteshaus. Anfangs handelte es sich dabei um eine Marienkapelle, die später den Rang einer Pfarrkirche erhielt und ab dem 12. Jahrhundert immer weiter ausgebaut wurde. 1352 begann man mit dem Bau einer neuen Kirche im gotischen Stil, der 1521 abgeschlossen wurde – auch wenn zu diesem Zeitpunkt nicht alle ursprünglichen Pläne verwirklicht waren. Schon elf Jahre später zerstörte ein Brand sie stark, man baute sie jedoch wieder auf.

Der Turm der Kathedrale von Antwerpen gehört zum Weltkulturerbe. Foto:Jerzy Sawluk_pixelio
Der Turm der Kathedrale von Antwerpen gehört zum Weltkulturerbe. Foto:Jerzy Sawluk_pixelio
Das Chorgestühl der Kathedrale ist sehr liebevoll gearbeitet. Foto:NG
Das Chorgestühl der Kathedrale ist sehr liebevoll gearbeitet. Foto:NG
Mit der Gründung des Bistums Antwerpen 1559 steigerte sich auch die Bedeutung dieses Gotteshauses. Seit jeher versammelte sie in ihrem Inneren kostbare Kunstschätze, schließlich war Antwerpen mit der Hafenanlage auch damals schon eine wichtige und reiche Handelsstadt. Auch wenn im Lauf der Zeit durch calvinistische Bilderstürmer und die Französische Revolution zahlreiche Werke verloren gingen, so sind in der Kathedrale bis heute beeindruckende Meisterwerke zu sehen.

Allen voran schmücken vier große Altarbilder von Peter Paul Rubens (1577–1640) die Kathedrale. „Die Kreuzerhöhung“ war das erste große Gemälde, das Rubens nach der Rückkehr aus Italien nach Antwerpen 1608 schuf, und mit dem er den Barock in den Niederlanden einführte. Allein das monumentale Mittelstück misst 460 mal 340 Zentimeter. Neun Henkersknechte mühen sich darauf, den blassen Gekreuzigten aufzurichten und hinterlassen beim Betrachter den Eindruck grausiger Schönheit. Bis dahin hatte sich kaum ein Künstler dieser Thematik angenommen.

Zurzeit haben auch noch andere Gemälde ihren Platz in den Mauern des mehrmals veränderten Baus gefunden. Bis voraussichtlich zum kommenden Jahr wird das Königliche Museum der schönen Künste renoviert. Solange sind einige Werke zurückgekehrt an den Ort, an dem sie einst hingen. Im Zuge des Bildersturms der Reformationszeit waren sie über die Welt zerstreut, um später doch zurück nach Antwerpen zu kommen, ins Museum.

Im vergangenen Jahr erhielt die Kathedrale erstmals seit 100 Jahren wieder ein neues Kunstwerk: Unweit des Eingangs steht der golden schimmernde „Mann, der das Kreuz trägt“. Es ist ein Werk des belgischen Künstler Jan Fabre, der auch als Regisseur anspruchsvollen Tanztheaters bekannt ist. Seine Kunst ist nicht unumstritten, setzt sich aber regelmäßig mit dem Glauben auseinander. So auch hier: Die Plastik ist ein Selbstbildnis und eine Auseinandersetzung mit seinem Glauben. Die Figur balanciert ein großes, sich leicht neigendes Kruzifix, es wirkt nicht schwer, dennoch scheint er Mühe zu haben, es nicht zu Boden fallen zu lassen.

Die Kreuzerhöhung von Rubens ist ein Höhepunkt der Kunstwerke in der Antwerpener Kathedrale. Foto:NG
Die Kreuzerhöhung von Rubens ist ein Höhepunkt der Kunstwerke in der Antwerpener Kathedrale. Foto:NG
"Der Mann mit dem Kreuz" ist ein neues Kunstwerk des Antwerpeners Jan Fabre. Foto:NG
"Der Mann mit dem Kreuz" ist ein neues Kunstwerk des Antwerpeners Jan Fabre. Foto:NG

Die meisten Besucher strömen zu den Rubens-Gemälden, suchen sie gezielt, um sie zu fotografieren. Es lohnt jedoch auch ein Besuch der Seitenkapellen, die ruhiger liegen. Das fast zwei Meter hohe Gnadenbild Marias zeugt von der Verehrung der Gottesmutter durch die Bürger. An dieser Stelle kann man auch im Museums-trubel des Gotteshauses Ruhe finden.
Thomas Schnieders

Information:
Die Kathedrale von Antwerpen ist täglich geöffnet von 10–17 Uhr, samstags bis 15 Uhr, sonntags 13–16 Uhr. Eintritt: 6 Euro. Täglich finden Gottesdienste statt. Weitere Informationen finden Sie hier.